SCHULE. Wozu machen wir das eigentlich?

Diese Frage kann man sich ruhig ab und an mal stellen. Sind gute Noten das Ziel aller Bildungsbemühungen? Es scheint oft so. Vor allem in den bildungspolitischen Debatten unseres Landes. Da werden die PISA-Ergebnisse diskutiert, Notenschnitte verglichen und Prüfungen zentralisiert.

Doch gute Noten sind das eine. Wie wohl sich unsere Kinder in der Schule fühlen, mit wie viel Freude sie lernen und welche ihrer Talente sie entwickeln können, hat einen mindestens ebenso großen Einfluss auf ihr späteres Erwachsenenleben wie gute Noten.

Das Ziel von Bildung ist viel grundsätzlicher, als es Stichworte wie gute Noten oder späterer beruflicher Erfolg ausdrücken. Es geht darum, Kindern den Weg in ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben in sozialer Gemeinschaft zu ebnen. Und dazu braucht es eben weitaus mehr als nur gut gelernte Kenntnisse in Mathematik und Geschichte.

Was es künftig braucht

Der Bildungsforscher Otto Herz hat den schönen Satz geprägt, dass die Schule von heute versuche, in einer Form des 19. Jahrhunderts mit Lehrkräften des 20. Jahrhunderts die Kinder des 21. Jahrhunderts zu unterrichten. Doch im Beruf und im Privaten hat sich das Leben inzwischen enorm verändert.

Im Arbeitsleben geht es nicht mehr um das Erlernen und Ausführen wiederholbarer Tätigkeiten. Die werden von Maschinen gemacht. Stattdessen sind Kreativität, Problemmanagement und Teamarbeit gefragt. Menschliche Arbeit wird sich künftig vor allem dem Unberechenbaren, dem Einzigartigen widmen und deshalb wesentlich aus dem Umgang mit anderen Menschen (statt mit Roh- und Werkstoffen) bestehen. Die in der Schulzeit trainierten Lernmechanismen, die auf „abhörbares“ Wissen in einzelnen Fächern zielen, helfen dabei wenig. Auf einmal braucht es ganz andere Fähigkeiten: Beobachten und Auswerten, Vermuten und Prüfen, Überzeugen und Zweifeln, Reflektieren und Korrigieren – und für all das kommunikative Kompetenz.

Auch im Privatleben sind die Dinge anders geworden. Heute trifft man viele Entscheidungen selbst, die sich früher einfach „ergaben“: Studienfach und Berufswahl, Wohnort und Partnerschaft, Steuerklasse, Ernährungsweise, Altersvorsorge, Freizeitsport: Überall so viele Möglichkeiten. Wer darauf wartet, gesagt zu bekommen, was er tun soll, wartet vergebens. Die Lebenswege sind nicht mehr „sortiert“ – man muss sie finden, und das in einer Welt, die sich immer wieder verändert.

Was sich ändern muss

Und aus all diesen Gründen muss sich der Unterricht in unseren Schulen verändern. Selbständiges Lernen, Arbeiten und Problemlösen müssen eine deutlich größere Rolle spielen, genauso die Auseinandersetzung mit anderen Menschen und Teamarbeit.

Untersuchungen zeigen, dass es deutschen Schulen nicht gelingt, die natürliche Lernfreude von Kindern zu erhalten. Während Erstklässler noch voller Neugier und Spaß zur Schule gehen, nimmt die Lernfreude mit zunehmendem Alter immer mehr ab. In einer Welt, in der lebenslanges Lernen wichtig ist, können wir uns es doch aber gar nicht leisten, dass junge Menschen beim Verlassen der Schule erleichtert sind, nun nicht mehr lernen zu müssen.

Auch das ist ein Grund, Veränderungen auf den Weg zu bringen. Die Zahl der Menschen, die solche Veränderungen wünschen, ist groß. Der deutsche Astrophysiker Harald Lesch hat schön beschrieben, was sich in unserem Bildungssystem ändern muss:

Wie das gelingen kann

Wenn sich Schule verändern soll, dann muss ein großer Teil der Veränderung von innen kommen. Sie lässt sich nicht von oben verordnen, sondern muss vor Ort mit Leben gefüllt werden. Zahlreiche deutsche Schulen zeigen schon, dass das funktioniert. Die besten von ihnen werden jährlich mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet.

Doch den Schulen allein alles zuzuschieben, greift zu kurz. Eine gute Bildungspolitik kann enorm viel dazu beitragen, Schule zu verändern. Sie muss die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte in den Blick nehmen (➧ MENSCHEN), die bauliche Gestaltung und sachliche Ausstattung der Schulen (➧ RÄUME) sowie die Lehrpläne und Stundentafeln (➧ INHALTE). Und sie muss ihre Grundphilosophie ändern ( ➧ VIELFALT).